Anders sehen

Alles ist relativ.

12.06.2022

Es ist menschlich, dass wir alle meinen, die Welt wäre so, wie wir sie sehen. In Wahrheit nehmen selbst Menschen, die in einem Raum sind, die Situation unterschiedlich wahr. Das können wir alle merken, wenn wir uns nach langer Zeit auf immer demselben Platz an unseren Esstisch plötzlich eines Tages auf einen anderen Stuhl setzen. Das fühlt sich dann irgendwie verändert an.

Der Einfluß von Körper-Bewegung
Neurologisch betrachtet ist das eine super Übung. Bewegung im Körper sorgt nämlich auch über den momentanen visuellen Eindruck hinaus für Bewegung im Kopf. Es führt dazu, dass wir nicht ganz so stark im Gewohnten festhängen und die Dinge etwas anders sehen können.

Innere Landkarten
Jeder Mensch hat seine eigene innere Landkarte, die sich aus seinem Wissen und seinen Erfahrungen zusammensetzt und maßgeblich bestimmt, was wir wie wahrnehmen. Dazu gibt es ja auch den Spruch mit dem Glas, das wir halbvoll oder halbleer empfinden…

Mit gesunder Selbstliebe ist dieses Glas tendenziell halbvoll. Und wir müssen, wenn wir uns selbst in guter Weise annehmen können weniger darauf beharren, dass alles so ist, wie unsere Landkarte uns glauben macht, sondern können großzügig die Unterschiede zwischen ‚meiner Welt‘ und der des anderen wahrnehmen. Das öffnet uns für andere Menschen und beschert uns selbst neue Perspektiven. Dieser Überzeugung ist auch der zeitgenössische französische Philosoph Charles Pépin. In seinem Buch "Kleine Philosophie der Begegnung"  beschreibt er den Unterschied zwischen einem Treffen und einer Begegnung. Der Zauber der Begegnung liege darin, danach anders auf die Welt zu blicken und einen Teil seiner selbst zu entdecken, der einem vorher nicht bewusst war.

Ich gebe unumwunden zu: Leider bin ich eine sehr starke Gewohnheits-Handelnde und manchmal auch ziemlich stur in meinen Überzeugungen. Ich nehme mir jetzt mal vor, einen anderen Platz in unserer WG-Küche anzusteuern und bin gespannt, welchen Einfluss das haben wird.

Wann hast Du das letzte Mal gemerkt, dass der Spielraum, den Du anderen für deren Sicht lassen kannst, gerade nicht besonders groß ist? Und wie versuchst Du, Dich immer wieder darauf einzunorden, dass Deine Wahrnehmung nur eine Möglichkeit ist, die Welt zu sehen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar! Eure Susanne